Er hat mir zugezwinkert. Ich bin ganz sicher. Es war zwar nur ein winziger Moment, viel zu kurz und überraschend, um zurück zu flirten. Aber lang genug, um Schmetterlinge im Bauch zu verursachen. Jetzt sitze ich im weißen Sand und bin schockverliebt – in einen Delfin, der mich umkreist hat, elegant, lächelnd, souverän. Nicht etwa in einem Freizeitpark oder bei einer von Profi-Wassersportlern organisierten Schnorcheltour. Nein, einfach so, beim Baden im Indischen Ozean, etwa 10 Kilometer entfernt von Salalah, dem melodisch klingenden Ferienort, in einer wunderschönen einsamen Bucht an der Südwestküste des Oman.
„Ich nenne sie Delfin-Bay“, sagt Jousef Al-Shanfari. „Weil hier immer sehr viele und besonders zutrauliche Delfine sind.“
Jousef liebt das Meer. Und Delfine. Der 31-jährige hat als Fischer gearbeitet, bevor er in Italien Nautic studierte und anschließend in seiner Heimatstadt Salalah die Agentur „Around the Ocean“ gründete. Heute beschäftigt er mehrere Mitarbeiter, besitzt acht eigene Boote und organisiert Schnorchel-Ausflüge, Tauchgänge, Delfin- und Wale-Watching-Touren für Touristen.
Dass er uns in „seine“ Delfinbucht mitgenommen hat, ist eine Ausnahme. „Normalerweise fahre ich nur allein hin“, verrät er. „Delfine sind scheu und sensibel. Sie würden sich durch viele Menschen gestört fühlen und sich zurückziehen.“
Doch auch auf den organisierten Bootsausflügen kann man Flipper & Co begegnen. Es ist total beeindruckend, wenn plötzlich ein glänzend schwarzer Walrücken im blauen Meer auftaucht, und der Koloss seine Atemluft wie eine Fontäne in die Luft stößt. Oder wenn ein halbes Dutzend Delfine das Motorboot begleiten, mit den Wellen spielen und ihre mächtigen Körper zu eleganten Sprüngen und Saltos aus dem Wasser schrauben.
„Die meisten Delfine trifft man vor der Küste von Taqah“, weiß Jousef. „Dort werden jedes Jahr von November bis März Tonnen von Sardinen gefischt. Und Delfine lieben Sardinen.“
Wie bestellt rollt in diesem Moment ein Laster über den Sand, auf dessen offener Ladefläche Berge silbrig glänzender Sardinen liegen. Der Wagen hält. Motor aus. Der Fahrer macht es sich im Führerhäuschen gemütlich. Wir wundern uns.
„Der bleibt jetzt bis heute Abend in der Sonne stehen“, erklärt der Omani. „So trocknen die Sardinen und können als Viehfutter verkauft werden.“
Wir steigen ins angenehm kühle Auto und fahren über eine perfekt ausgebaute Schnellstraße zunächst an der Küste entlang nach Sadah. Links das blaue Meer, rechts der zerklüftete, etwa 1000 Meter
hohe Jebel Nuss, hier und da ein paar einfache Lehmhäuser. Dann weiter durchs Land, zwischen den Hügeln und steilen Felsen des Jebel Samhan nach Mirbat.
„Mirbat bedeutet Pferdemarkt“, sagt unser Fahrer. „Früher florierte hier der Handel mit edlen Arabern. Heute ist Fischfang der wichtigste Wirtschaftszweig.“ Trotzdem sind im alten Hafen keine Zeichen von Moderne und Fortschritt auszumachen. Bunte Fischerboote dümpeln neben traditionellen Dhaus. Männer sitzen auf dem Boden und flicken ihre Netze, sortieren den Fisch, schrubben ihre Boote. Fischabfälle liegen zwischen Wassereimern und Netzen. Möwen schreien.
Wir kurven durch die Altstadt mit ihren historischen, teilweise baufälligen Gebäuden und durch die „Geisterstadt“, deren verlassene Häuser, die während der Dhofar-Rebellion (1965 – 1975) von Rebellen bewohnt wurden, bald restauriert werden sollen. Jousef erzählt von längst vergangenen Zeiten, als die Wüstenkarawanen in Mirbat gen Norden starteten, um kostbares Weihrauchharz nach Saudi Arabien zu transportieren.
Nicht umsonst wurde der Oman früher als Weihrauchland bezeichnet. Denn nur hier und im Jemen wachsen die Bäume, aus deren angeritzter Rinde das besondere Harz tropft. Im Weihrauchmuseum in Salalah erfahren wir später alles über Weihrauch und seine Bedeutung für das Sultanat, dass Weihrauchbäume als Geschenk Gottes gelten, da man sie weder züchten noch verpflanzen kann, dass es 25 verschiedene Qualitäten gibt, und dass Weihrauchharz auch als Heilmittel eingesetzt wird. Zum Beispiel als Öl gegen Gelenkschmerzen.
Spätnachmittags besuchen wir dann noch den einzigen Weihrauchmarkt der Welt. Überall stehen große Säcke mit Harzbröckchen in unterschiedlichen Farbnuancen. Die Händler wedeln ihren Kunden Rauchschwaden der verschiedenen Sorten zu, erklären, wiegen ab und verpacken in hübsche Töpfchen, Kistchen und Fläschchen.
Betörende Düfte, orientalische Klänge aus blechernen Lautsprechern, Männer in weißen Dishdashas, schwarz gekleidete, verschleierte Frauen. In einem der vielen hell erleuchteten Geschäfte kaufe ich Weihrauchöl in einer goldverzierten Glasflasche als Mitbringsel für zu Hause. Dann gehe ich noch ein paar Schritte zum Strand hinunter, wo gerade die Sonne hinter dem Sommerpalast des Sultans malerisch zwischen ein paar Palmen verschwindet. Schön hier!
Am nächsten Tag wird’s ganz entspannt. Wir wohnen im wunderschönen 5-Sterne-Hotel Rotana, eines von drei Hotels, die zur Hawana Salalah Resort-Anlage gehören. Hier gibt’s wirklich alles, was den Urlaub zum Traumurlaub macht: Baden und Schnorcheln im badewarmen Meer, Beach-Volleyball am Strand, Schwimmen und Wasserball spielen im riesigen Pool, eine wohltuende Massage im eleganten SPA-Bereich des Al Fanar Hotels, ein Sundowner in der Marina – und die Küche ist in allen Hotels hervorragend.
Am nächsten Morgen warten zwei Allrad-Fahrzeuge auf uns.
Heute soll es in die Berge gehen, ins Dhofar-Gebirge, das im Oktober Vergleiche mit dem Allgäu nicht scheuen muss. Der Khareef-Monsun hat dann aus dem trockenen Wüstenland eine prächtig grüne, blühende Landschaft gezaubert, die auch die Omani begeistert genießen. Sie fahren z. B. mit der ganzen Familie zum Wadi Darbat, das als schönstes Wadi Dhofars gilt und nach dem Monsun beinahe tropisch wirkt. Hier gibt es um diese Jahreszeit sogar einen Wasserfall, der insgesamt rund 200 Meter hinunterstürzt. Und auf einem See kann man Tretboote mieten und fröhlich damit herum schippern. Für Wüstenbewohner ein ganz besonderes Erlebnis. Ähnlich wie der Besuch der Ayn Sahnawt-Quellen, deren intensiv leuchtendes jadegrünes Süßwasser auch zum Baden einlädt.
Auf der Fahrt zurück begegnen wir den eigentlichen Herrschern des Oman, den Kamelen. Mehrere Dutzend Höckertiere (eigentlich Dromedare, aber hier auch als Kamele bezeichnet) überqueren seelenruhig die Schnellstraße. Von unserem Fahrer erfahren wir, dass Kamele im Oman früher so eine wichtige Stellung einnahmen, dass man ihnen sogar eine Gewichtseinheit und eine Längenbezeichnung zuordnete. Auch heute noch gibt es allein in Dhofar rund 60.000 Tiere. Jede Familie besitzt zwischen 40 und 80 Tiere. Wenn schwarze darunter sind, zeugt das von besonderem Reichtum. Denn die sind bis zu 5000 Rial wert, rund 13.000 Euro. Regelmäßig finden im Land Wettbewerbe statt, bei denen das schönste, das größte, das mit der meisten Milch gekürt wird. Auch Kamelrennen sind sehr beliebt.
Doch unsere Karawane lässt sich Zeit. Ich nutze die Gelegenheit und steige aus, um zu fotografieren. Ein Höckerriese sieht mich mit großen Augen an, schürzt die Lippen und kommt auf mich zu. Meine Abenteuerlust hält sich in Grenzen. Ich bringe mich im Auto in Sicherheit. Ein Luftknutscher muss reichen. Sorry, liebes Kamel, aber mein Herz ist schon vergeben – an einen Delfin.